"Optimierte" Postkarten

Manchmal wurde die Strecke der Berninabahn also wirklich nicht entsprechend dem optimalen Panorama gebaut...! Oder die Fahrzeuge kamen nicht zur Wirkung oder hatten keine oder die falsche Farbe. So haben die Lithografen zum feinen Skalpell gegriffen und sich eine (kommerziell) passende Realität geschaffen.

 

In diesem Kapitel werden also Postkarten gezeigt, welche offensichtlich manipuliert wurden. Häufig kommen solche Karten in und um Morteratsch vor, weil die örtlichen Gegebenheiten es verunmöglichen, alle Highlights auf ein Bild zu bannen.

 

211-029 Verlag: Editions Photoglob, Zürich. Karte gelaufen am 27.6.1916
211-029 Verlag: Editions Photoglob, Zürich. Karte gelaufen am 27.6.1916

Diese Abbildung des Triebwagens BCe4 3 ist einer meiner "Stars" in diesem Kapitel, der meine detektivische Ader aktiviert hat:

 

Die Aufnahme des Hintergrundes wurde auf einer Anhöhe oberhalb Morteratsch gemacht, man blickt auf den Gletscher hinab. Dort gibt es keine Berninabahn.

 

Die Routentafel rechts zeigt "per l'Engiadina", der Triebwagen würde jedoch Richtung Süden fahren, wenn er denn in der Nähe von Morteratsch fotografiert worden wäre, die Stellung der Lyrabügel und der leere Führerstand rechts weisen auf den ersten Blick darauf hin.

 

Die Lyrabügel sind wohl von Hand nachgezeichnet. Sie stimmen nicht mit der Perspektive des Betrachters überein.

 

Normalerweise fuhren die Triebwagen immer mit dem Erstklassabteil (hier noch zweite Klasse) Richtung Tirano. Da der Lokführer im Führerstand links erkennbar ist, und die Tafel das Ziel St. Moritz angibt, muss die Aufnahme des Fahrzeugs von der anderen Seite des Triebwagens gemacht worden sein.

 

Der Schatten auf dem ebenfalls optimierten Schriftzug "Bernina" weist entweder auf einen wegretouchierten Masten hin - oder dem entsprechenden Schatten. Ich glaube Aufnahmen zu kennen, welche mit Mast sind - ich komme darauf zurück.

 

Abgesehen davon finde ich diese Karte eine der schönsten Karten mit einem alten Triebwagen der Berninabahn.

208-004 Verlag unbekannt. Sammlung Jeremy Rayner
208-004 Verlag unbekannt. Sammlung Jeremy Rayner

Spannende Karte: Gleiche Stelle wie oben, dieses Mal mit einem talwärts fahrenden Zug. Dem Fotografen hat der kurze Zug ganz offensichtlich nicht gefallen und er hat drei Wagen von Hand in die Karte gezeichnet und dem Triebwagen noch etwas nachgeholfen!

 

 

Sammlung Jeremy Rayner, besten Dank!

160-004 Verlag Engadin Press, Samedan. Karte gelaufen 28.7.1921
160-004 Verlag Engadin Press, Samedan. Karte gelaufen 28.7.1921

Schöne Postkarte mit Parallelfahrt eines RhB-Personenzugs mit ein paar Güterwagen der Rhätischen Bahn und einen einzeln fahrenden Triebwagen der Berninabahn.

 

Auch wenn die Karte erst 1921 gelaufen ist, fährt dieser RhB-Zug noch mit Dampf. Die Fahrleitung ist deutlich erkennbar.

 

Aber, wenn man die Vergrösserung betrachtet......

 

....stimmt etwas nicht!

Tibert Keller hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass dem Triebwagen die Lyrabügel fehlen. Bei Vergrösserung des Scans fallen vier Dinge auf:

  1. Die RhB-Dampflok scheint zu lange, ein Teil links vom BB-Masten, der andere rechts, das passt nicht. Ebenso sind die Farben der beiden Teile unterschiedlich
  2. Der Mast ist unterbrochen, müsste jedoch im Vordergrund stehen
  3. Die Lyrabügel des Triebwagens fehlen
  4. rechts vor dem TW gibt es einen eigenartigen "Haufen"
  5. Die Dampffahne scheint unnatürlich und mit einem Pinsel aufgetragen

 

Was wurde nun verändert? Die Dampflok eingesetzt? (Immerhin steht die RhB-Fahrleitung schon) - Der Triebwagen eingesetzt? Beides eingesetzt?

 

200-044 Eigenverlag Berninabahn, Karte ungelaufen
200-044 Eigenverlag Berninabahn, Karte ungelaufen

Krass, was Albert Steiner so alles zusammengebastelt hat: Links sehen wir die bekannte Aufnahme aus Montebello, siehe unten. Wagemutig kombiniert mit einer Aufnahme von Pontresina aus der Luft (?)

220-004 Verlag Albert Steiner
220-004 Verlag Albert Steiner

Hier erkennen wir die Aufnahme, welche für die "Fake"-Karte oben herhalten musste: Die beiden hintersten Aussichtswagen L 383 und L 352 und einer der beiden Vierachser C4 161/162

Das "Morteratsch-Syndrom"

211-025 Verlag Foto Flury Pontresina
211-025 Verlag Foto Flury Pontresina

Sehr schön, das Berninazüglein mit den kurzen zweiachsigen Wagen.

 

Und gross die Kreativität in Flury's Dunkelkammer im Dorf: Die Hotelaufnahme kennen wir bestens, das Handwerk des Kolorierens ist gut erkennbar aber das Faken ist auch hier von der groben Sorte: Um den Hintergrund so zu sehen, müsste man sich 50 Meter über den Bach nach Osten bewegen und sich dann noch 180 Grad drehen.

 

Schön aussehen tut sie trotzdem!

Verlag Wehrli A.-G., Kilchberg-Zürich. Karte ungelaufen
Verlag Wehrli A.-G., Kilchberg-Zürich. Karte ungelaufen

Noch krasser wurden hier die geografischen Fakten strapaziert. Dafür kam ein romatisches Alpenglühn dazu :-)

 

Witzig finde ich auch die Andeutung der Gletscherhöhlen - bald wackeln da wohl die sieben Zwerge heraus.

 

(Karte wird nochmals überarbeitet)

 

Nur diesen Ausschnitt betrachtet, ergibt sich ein wunderbares Ensemble von Hotel, den Stationsanlagen, dem bereitstehenden Kurzzug und den Personen. Dieser Fotostandort ist mir unbekannt. Schade, wurde er nicht intensiver genutzt!

Verlag Edition Photoglob, Zürich. Karte ungelaufen
Verlag Edition Photoglob, Zürich. Karte ungelaufen

Typische Karte für das "Morteratsch-Syndrom": Hier gibts fast keine Möglichkeit, die Bahn oder das Hotel mit der Bergkulisse zu fotografieren. Deshalb wird gerade bei Morteratsch-Karten heftig gemogelt. Das Bergpanorama ist um etwa 90Grad verschoben.

 

 

Verlag Bertschinger, Davos. Karte ungelaufen
Verlag Bertschinger, Davos. Karte ungelaufen

Das Problem der armen Morteratscher ist leider unveränderlich! So müssen die geografischen Realitäten auch in der "Moderne" angepasst werden, damit sowohl Hotel, Bahn und Panorama auf ein Bild passen. Hier wurde das Panorama schamlos gleich um 180 Grad gedreht - wohl nach dem Motto "wenn schon, denn schon"  :-)

 

 

Faken bis es stimmt...

211-019a Verlag Engadin Press Co., Samaden. Karte ungelaufen
211-019a Verlag Engadin Press Co., Samaden. Karte ungelaufen

Auch diese Karte ist eine wahre Perle, vermutlich aus dem Jahr 1908: Wo keine Brücke ist, muss eine Brücke rein - so wurden die Gegebenheiten angepasst :-)

 

Auch sonst gibt es ein paar Ungereimtheiten auf dieser Aufnahme: Der Anbau des Hotel Morteratsch ist mindestens nachgezeichnet, wenn nicht ganz eingesetzt und mit den Proportionen des parkierten Triebwagen scheint auch etwas nicht zu stimmen - vielleicht ist aber auch nur die Schneehöhe Schuld an der verzerrten Wahrnehmung....

 

211-019b Sammlung Jeremy Rayner
211-019b Sammlung Jeremy Rayner

Die falsche Brücke wurde schon bald von den Engadin Press-Künstlern entfernt und durch die richtige Stahlbrücke ersetzt - immer knapp hinter der Realität! Pragmatismus nennt man das oder eine Art Vorläufer von Photoshop :-)

 

Jeremy Rayner hat diese Aufnahme in im englischsprachigen Touristenführer "Engadin Express and Alpine Post" vom  16.2.1926 entdeckt, vielen Dank!

 

Jetzt fehlt uns nur noch die Originalaufnahme ohne jegliche Brücke.

211-104 Verlag: Photoglob - Wehrli AG., Zürich. Karte ungelaufen
211-104 Verlag: Photoglob - Wehrli AG., Zürich. Karte ungelaufen

Hier eine prachtvolle Aufnahme mit dem bekannten Triebwagen 38 - könnte man meinen. Der ganze Zug wurde retouchiert, die Kanten etwas nachgezogen. Die Fahrzeugnummer und die seitliche Beschriftung von Hand gemacht. Offensichtlich ist der Pantograf hineingemalt worden, auch die Fahrleitung. Bei genauem Hinsehen ist jedoch der ganze Zug eingesetzt worden, siehe die Schnittkanten.

 

Nach einem Hinweis aus der Leserschaft habe ich die Aufnahme in einer FB Gruppe gepostet und vielfältige Rückmeldungen erhalten: Der Sonnenstand auf Fahrleitung und Fahrzeugdach stimmt nicht. Es handelt sich nicht um den Tw 38, dieser hätte seitliche Schiebetore für das Gepäckabteil. der Tw 38 hatte zeitlebens zwei Stromabnehmer. Zudem steht er verkehrt in der Landschaft: Das erste (hier noch zweite) Klasse Abteil stand damals immer in Fahrtrichtung Süden. Weiter ist der ganze Wagen seitenverkehrt eingesetzt (also Negativ verdreht, war wahrscheinlich erwünscht für die Perspektive), zu erkennen an der Widerstands-Einteilung über dem Führerstand, dem Scheibenwischer und an der Kupplung: Dort sind Spindel und Zughaken verkehrt. Es muss sich um einen der Tw 31-34 handeln.

 

Vielen Dank an Gerd Cremer, Christoph Roner, Wouter van Doorn, Patrick Rudin, Thomas Hollenstein, welche dazu beigetragen haben.

 

220-023b Verlag Wehrli A.-G., Kilchberg-Zürich. Karte gelaufen 10.6.1946
220-023b Verlag Wehrli A.-G., Kilchberg-Zürich. Karte gelaufen 10.6.1946

Diese hübsche - aber eigenartige - Karte zeigt einen sehr langen Zug der Berninabahn.

 

Weshalb eigenartig:

a) Die Karte stammt aus der ganz frühen Zeit der Berninabahn, also irgendwie zwischen 1912-1915. Sie muss ein Ladenhüter gewesen sein, so ist mein Exemplar erst 1946 verschickt worden - also etwa 30 Jahre später!

b) So ein langer Zug erscheint unrealistisch, wenn auch technisch möglich, aber wenn wir die Karte genauer anschauen, wird es ziemlich suspekt!

c) links: Die Fahrleitungsmasten mussten nachträglich nachgezogen werden. Dabei hat der Retoucheur das geschwungene Joch auf die falsche Seite gezeichnet

d)rechts: Der Güterwagen passt von der Perspektive, der Breite und Ausrichtung überhaupt nicht zum Zug, er wurde wohl hineingemalt, damit der Zug länger erscheint. Die Farbgebung wäre bei einem Güterwagen hellgrau statt gelb.

e) unten: etwas sehr improvisiert wurde bei den Rädern. Da wurde sicher zum Mittagessen gerufen und danach war die Restarbeit vergessen :-)

 

Verlag Edition Photoglob, Zürich
Verlag Edition Photoglob, Zürich

Auf dieser hübschen, kolorierten Karte sind der Piz Morteratsch (rechts) und der Piz Bernina mit dem markanten Biancograt zu sehen. Im Original wäre nur ein fototechnisch unattraktiver, schattiger Hang zu sehen. So hat der Retoucheur das Bergpanorama um mehr als 90 Grad von rechts ins Bild gerückt. Die Aufnahme der Strasse und des Triebwagens stammt aus der Nähe des "Tomatenhäuschens"

 

218-004 Verlag: Wehrli A.-G., Kilchberg, Zürich
218-004 Verlag: Wehrli A.-G., Kilchberg, Zürich

Ziemlich suspekt kam mir diese sehr seltene Karte der Brücke über die Berninafälle vor: Fehlende Fahrleitung, keine Masten, ein falscher Schatten, aufgemaltes Geländer und gepinseltes Wasser! Was wohl der Grund für diese aufwendigen Retouchen waren? Da hätte man wohl gleich eine neue Gesamtaufnahme machen können.

 

Vermutlich ist die Aufnahme der Brücke selbst während des Baus der BB gemacht worden. Die Bauzüge wurden mit kleinen Dampf-Tramways bewegt.

241-021 Verlag Engadin Press Co., Samaden. Karte ungelaufen
241-021 Verlag Engadin Press Co., Samaden. Karte ungelaufen

Sehr seltene Karte: Eben ist ein kurzer Zug von seiner langen Fahrt von Ospizio Bernina eingetroffen (Die heutige Station Lagalb gab es damals noch nicht) und hält am bergseitigen Gleis.

 

Aber Achtung! Der Zug ist im Bild eingesetzt worden, die Proportionen stimmen nicht!

 

Das Beamtenhaus steht schon, in seiner ersten, kleineren Version.

360-011 Verlag Engadin Press, Samedan. Sammlung Manfred Luckmann
360-011 Verlag Engadin Press, Samedan. Sammlung Manfred Luckmann

 

Eine meiner Lieblingskarten!

Schön koloriert: Der Triebwagen im richtigen Licht, der Palügletscher in leuchtendem Blau, etc.. Auch die Kleidung der Leute ist bemerkenswert! Dass sie von den Proportionen nicht zum Bild passen, macht nichts. Auch die Proportionen des Triebwagens sind nicht stimmig. Dass daraus jedoch eine Winterkarte entstand, ist eher erstaunlich, siehe unten.

 

 

"Das doppelte Lottchen"
Wer merkt den Unterschied? Jeremy Rayner hatte den scharfen Blick, um zu erkennen, dass seine Winterkarte auf der obigen Sommerkarte basiert!

 

Geschickt der Retoucheur und viel Aufwand! Der Triebwagen etwas verschoben, auch der Palügletscher ist etwas geschoben.

 

Und der arme Kellner steht also zu jeder Jahreszeit kurzärmlig in der Türe...  Und ist traurig, denn der Retoucheur hat ihm seine Gäste einfach wieder weggemacht.

 

365-002 Verlag Engadin Press, Samedan. Sammlung Jeremy Rayner
365-002 Verlag Engadin Press, Samedan. Sammlung Jeremy Rayner
360-004 / 801-0081-0081-101  Eigenverlag Berninabahn
360-004 / 801-0081-0081-101 Eigenverlag Berninabahn

Ge 4/4 81 vor dem Fotozug für den Speisewagen-Betrieb im Jahr 1928/29, hier auf Alp Grüm.

 

Diese schöne Ansicht ist eine Postkarte aus dem Eigenverlag der Berninabahn, fotografiert von Albert Steiner. Aber....

 

 

...Steiner war nicht nur ein Meisterfotograf, dem wir viele schöne Berninabahn-Fotos zu verdanken haben, sondern auch ein begnadeter Retoucheur.

 

Für diese Aufnahme hat er nämlich den Zug in eine bestehende, sehr bekannte Aufnahme der Station Alp Grüm hineinkopiert. Erkennbar an:

  • Der Zug ist im Verhältnis zu nahe
  • Die Achsen stimmen nicht überein (rot das Gebäude, gelb der Zug)
  • Der Herr vor der roten Linie ist im Verhältnis der Personen im Hintergrund viel zu gross. Er gehört, zusammen mit den Personen links von ihm, zur Aufnahme mit dem Zug.

Was er hervorragend gemacht hat, ist die Fahrleitung: Diese hat er fein nachgezeichnet und sie suggeriert die korrekten Proportionen. Auch die Stromabnehmer sind in den richtigen Achsen und Proportionen nachgezeichnet.

355-011 Verlag: Engadin Press, Samaden. Karte gelaufen am 26.1.1914
355-011 Verlag: Engadin Press, Samaden. Karte gelaufen am 26.1.1914

Schneeräumung auf Alp Grüm

Eindrückliche, frühe Karte von den Schneeverhältnissen und der Schneeräumung auf Alp Grüm.

 

Der Auswurf der Schneeschleuder war dem Verlag offenbar nicht genügend mächtig - deshalb wurde mächtig Hand am Bild angelegt! Und der Kiosk Alp Grüm mindestens virtuell mit Schnee eingedeckt.

 

Mehr über die Karte hier

400-013 Engadin Press Co, Samaden & St. Moritz, Karte ungelaufen
400-013 Engadin Press Co, Samaden & St. Moritz, Karte ungelaufen

Eine sehr schöne Aufnahme mit dem Palügletscher und einer schönen Komposition der Berninabahn aus den frühen 30er-Jahren. Zuhinterst am Zug befindet sich der Küchenwagen Xü31 (Geschichte des Wagens hier), angehängt am Salonwagen B4ü 161 (später WR 3814).

 

Den genauen Standort des Zuges vermute ich bei der oberen Einfahrt in die Stablini-Kurve. Das Hintergrundbild wurde um etwa 120 Grad gedreht, zudem wurde die pittoreske Bergföhre im Verdergrund implantiert. Man kann also nicht beklagen: Der Verlag hat alles gemacht, um die Schönheiten des Berninagebiets auf einer Karte zusammen zu führen...

400-002b Verlag: Berninabahn. Karte ungelaufen
400-002b Verlag: Berninabahn. Karte ungelaufen

Diese Karte stammt aus dem Eigenverlag der Berninabahn. Sie stammt aus der Kamera von A. Steiner, der sie auch gleich noch aus verschiedenen Aufnahmen zusammengeschnitten hat:

Bei der Vergrösserung fällt sofort der von Hand gezeichnete Mast auf. Es fehlt auch die Fixierungs-Schelle des Auslegers. Der Fahrdraht macht einen immensen Knick. Die Maueroberkante bricht beim Bogenbeginn eigenartig ab und danach ist eine Trennkante zu sehen. Der Felsen ist ebenfalls eigenartig abgebildet.

 

Aufgrund der Perspektive auf den Palügletscher ordne ich sie dem Streckabschnitt zwischen Stablini-Tunnel und Palü Kehrtunnel zu. Das Trasse kann jedoch von einem ganz anderen Ort stammen, vielleicht ist es auf einer anderen Karte erkennbar.

 

Weil auf der Rückseite die BB bereits mit Speisewagen wirbt, stammt die Karte aus der Zeit nach 1928.

400-004c/a Verlag Edition Photoglob. Karte ungelaufen

 

Da musste unbedingt ein Zug aufs Bild - so hat sich der Retoucheur ans Werk gemacht und einen hineingepflanzt. Für damalige Verhältnisse kein schlechtes Resultat, doch etwas schief steht insbesondere der Triebwagen. Auch der Abschluss des hintersten Wagens ist etwas missraten. Doch der Gesamteindruck stimmt! Die Originalkarte ist rechts.

Albert Steiners Tunnel-Fake's

Aber auch auf der Südseite wurde getrickst - und das sogar vom renommierten Altmeister der Berninabahn-Fotografie, Albert Steiner! Auch im Auftrag des - etwas fantasielosen, finde ich - Berninabahn-Eigenverlags, bastelte er am Leuchttisch verschiedene Aufnahmen zusammen.

 

Siehe selbst, wie das gemacht wurde: Man nehme eine Aufnahme aus einem Tunnelportal hinaus mit Blick aufs Puschlav. Dann stelle man die Aussicht frei und ergänze beliebig mit attraktiven Hintergründen.

420-102 Eigenverlag Berninabahn, Karte Nr. 21, ungelaufen
420-102 Eigenverlag Berninabahn, Karte Nr. 21, ungelaufen

Diese Karte dürfte wohl der Ursprungsaufnahme am Nächsten kommen. Natürlich ist der Blick auf Poschiavo nicht in diesem halsbrecherischen Winkel, sondern wurde kunstvoll eingefügt. Der Abbiegewinkel der Fahrleitung dürfte selbst für die Lyrabügel zu akuten Schwierigkeiten führen!

 

420-103 Eigenverlag Berninabahn, Karte Nr. 13, ungelaufen
420-103 Eigenverlag Berninabahn, Karte Nr. 13, ungelaufen

Der Piz Palü soll also auch noch würdige vertreten sein? Kein Problem und nach genauer Arbeit mit dem Skalpell ist auch dieser Hintergrund eingebaut, vermutlich Aufnahme vom Wanderweg von Morteratsch zur Bovalhütte, also in der Vertikalen ein paar hundert Höhenmeter weiter oben als das Tunnelportal.

420-104 Eigenverlag Berninabahn, Karte Nr. 12, ungelaufen
420-104 Eigenverlag Berninabahn, Karte Nr. 12, ungelaufen

Ohne Piz Bernina geht natürlich auch nichts... Schwupp wirkt nicht nur der höchste Berg Graubündens als Tunnelhintergrund, sondern ist auch der Vordergrund mit grossem Geschick angepasst. Sogar mit hoher Glaubwürdigkeit, finde ich! Quizfrage: Wieviele Tunnels gibt es auf der Nordseite? Genau, nur gerade den Charnadüra-Tunnel bei St. Moritz, und das ist noch weiter weg und zwei Täler weiter hinten...

420-101 Isepponi, Poschiavo, Karte ungelaufen (im Handel erhältlich)
420-101 Isepponi, Poschiavo, Karte ungelaufen (im Handel erhältlich)

Hier die Originalaufnahme ohne Tricks von Isepponi, Poschiavo. Wer die Kontur der linken Tunnelwand mit den anderen Karten vergleicht, wird erkennen, dass alle vier Aufnahmen aus dem gleichen Portal gemacht wurden - und Jahrzehnte auseinanderliegen!

 

Da die Karte noch am Kiosk erhältlich ist, stelle ich sie nur exemplarisch und ohne Vergrösserung dar.

 

Verlag Wehrli AG, Kilchberg. Karte gelaufen 1921.
Verlag Wehrli AG, Kilchberg. Karte gelaufen 1921.

Hier blufft die Karte und gibt eine Zugskreuzung unterhalb von Poschiavo vor. Tatsächlich gibt es zwischen Poschiavo und Le Prese keine Kreuzungsmöglichkeit - bei diesem bescheidenen Fahrplan ist das auch nicht notwendig.

Die wirkliche Strecke ist auf der Karte schwach ersichtlich - siehe Detail unten. Links ist BCe4 10 erkennbar, der Zug nordwärts ist sehr gut frequentiert.

 

Ausschnitt aus obiger Karte
Ausschnitt aus obiger Karte

Die wirkliche Strecke ist auf der Karte schwach erkennbar, siehe Detailausschnitt. Gelb die Masten und orange die Gleislage. Der Lyrabügel des Triebwagens ist etwas lang geraten, der Ansatzpunkt ist gut sichtbar.

515-001 Verlag Engadin Press, Samedan. Gelaufen am 5. Mai 1928
515-001 Verlag Engadin Press, Samedan. Gelaufen am 5. Mai 1928

Eine absolute Trouvaille!

Diese Postkarte habe ich in meiner nun 10-jährigen Sammlerkarriere zum ersten Mal gesehen. Sie zeigt sehr schön die Lage der Berninabahn in der staubigen Strasse auf. Autos gab es ja zu diesem Zeitpunkt bekanntlich noch keine im Kanton Graubünden, der Platz reicht für Bahn und Kutsche.

 

So schön diese Karte ist, an ihr wurde massiv Hand angelegt, ein paar interessante Details sind weiter unten spezifiziert.

Hier ist gut sichtbar, dass der Grafiker ziemlich nachgeholfen hat:

  • Die stehenden Personen sind zu gross in Relation zum Wagen
  • Es gab bei der Berninabahn keine Wagen mit geschlossenem Abschlussblech auf der Plattform. Da war wohl etwas Inspiration aus einem Tram mit dabei
  • Die Wagennummer 535 gab es nie
  • vermutlich wurde auch das Fuhrwerk nachträglich eingefügt, es erscheint mit etwas zu gross und wie in der Luft hängend.
515-002 Verlag Engadin Press, Samedan   Karte gelaufen am 27. August 1915 per Feldpost
515-002 Verlag Engadin Press, Samedan Karte gelaufen am 27. August 1915 per Feldpost

Sehr interessant! Diese Karte ist das "Original" der obigen, colorierten Aufnahme: Alles ist gleich, ausser der Zug. Das Fuhrwerk scheint zwar für meinen Geschmack immer noch zu gross, aber viel filigraner als in der Farbaufnahme.

Getrickste Aufnahmen, eine Postkarten-Analyse beim Kehrviadukt

Aus zwei unabhängigen Sammlungen, eine in England und eine in der Schweiz, kamen diese Postkarten zusammen. Beide zeigen mit grösster Wahrscheinlichkeit einen Bauzug oder eine Probefahrt der Berninabahn, einmal knapp unterhalb des Viadukts und einmal kurz vor dem Einschwenken in den Kreis.

540-006 Verlag: Sidney Semadeni, Poschiavo, Karte ungelaufen. Sammlung berninabahn.ch
540-006 Verlag: Sidney Semadeni, Poschiavo, Karte ungelaufen. Sammlung berninabahn.ch
540-007 Verlag Sidney Semadeni, Karte gelaufen am 29.6.1909. Sammlung Jeremy Rayner
540-007 Verlag Sidney Semadeni, Karte gelaufen am 29.6.1909. Sammlung Jeremy Rayner

Zwei wahrhaftig interessante und vom Fotografen gut gewählte Motive und Standorte. Wir erkennen einen nigelnagelneuen Triebwagen der ersten Serie BCe4 1-10 aus dem Jahr 1908 mit einem Niederbordwagen der Serie L 301-310.

 

Auf der linken Abbildung sind alle Lampen eingesteckt und fröhliche Männer schauen aus den damals versenkbaren Frontfenstern und aus der offenen Übergangstüre. Die Aufnahme rechts zeigt eine ähnliche Situation bei den Kastanienbäumen und den typischen Crotti.

 

Das Schotterbett ist noch ganz hell und unverbraucht. Ich gehe davon aus, dass es sich um einen Bauzug handelt, der kurz vor der Eröffnung des Teilstücks Tirano-Poschiavo (1.7.1908). Die Triebwagen mussten über Italien angeliefert werden, da die Strecke erst im Jahr 1910 durchgängig befahrbar war.

 

Noch wilder hat der Retoucheur auf diesem Bild "gewütet":

  • Der Mann links hat keine Beine (Pfeil unten links)
  • Rund um die Lampen wurde massiv auf der Glasplatte herumgekratzt (Pfeile von unten)
  • Das linke Bein des Mannes rechts im Bild hat sich selbständig gemacht.

 

Hier erkennen wir gut, wie die Front mit real offener Türe ausschaut.

 

Die Drucktechnik für Postkarten ist noch sehr grob, entsprechend der damaligen Technik. Dennoch lässt sich die Fahrzeugnummer 8 erahnen. Die Original-Glasplatte jedoch würde ein gestochen scharfes Bild erlauben.

 

Dass es sich um eine sehr frühe Aufnahme handeln muss, lässt sich an zwei Details ablesen: Die Verbindungssteckdosen für die elektrische Versorgung der Personenwagen (Licht, Heizung) führte ganz am Anfang der Berninabahn noch über Kabel an der Front der Triebwagen, links und rechts der Stirnlampe in der Mitte.

Bei Vergrösserung und genauerer Betrachtung fallen ein paar eigenartige Details auf, die auf eine Retouche hinweisen:

  • Obwohl die Türe geschlossen ist (oberer Pfeil) steht der Mann in der Mitte draussen (unterer Pfeil). Vergleiche auch die Aufnahme unten.
  • Sein Arm ist angesetzt und passt nicht zur Körperhaltung

 

Interessanterweise sind die beiden Lyrabügel nicht parallel an der Fahrleitung angelegt, sondern auseinander. Der nähere Stromabnehmer wird also gestossen - so fährt man nicht!

Das 2.Klasse Abteil ist schon zu diesem Zeitpunkt in Richtung Norden ausgerichtet (und das blieb als typisches Merkmal bis zum heutigen Tag so). Das wurde offenbar schon bei der Anlieferung beachtet.

 

 

Auch mit RhB-Ansichtskarten wurde geschummelt

710-503 Postkarte Verlag unbekannt
710-503 Postkarte Verlag unbekannt

"Optimiert" wurde nicht nur bei der Berninabahn - auch Ansichten der RhB wurden massiv bearbeitet, wie stellvertretend dieses Beispiel vom Wiesner Viadukt zeigt: Der Dampfzug fährt auf einer anderen Achse als der Streckenverlauf über die Brücke - er scheint sie zu kreuzen. Die G 4/5 hat einen langen Zug am Haken, sowohl Lok wie auch Länge des Zugs sind nicht typisch für die Strecke Davos - Filisur. Sicher würde mal diese Aufnahme auf einer Postkarte der RhB von anderer Stelle finden.

Bei anderen Bahnen wurde auch tüchtig nachgeholfen

799-002 Verlag unbekannt, Sammlung D. Honegger
799-002 Verlag unbekannt, Sammlung D. Honegger

Eines der krassesten Beispiele ist eine Postkarte der Standseilbahn Fürigen.

 

Die Bahn verläuft durch den dichten Wald, vom See bis zum Hotel Fürigen. Hier will die Postkarte auch den Vierwaldstätter See mitzeigen.

 

Sammlung D. Honegger

600-001 Verlag Photoglob A.-G., Zürich (075115)
600-001 Verlag Photoglob A.-G., Zürich (075115)

Auch bei der WAB (Wengernalpbahn) haben der Postkartenverlag oder der Fotograf tüchtig nachgeholfen, damit sowohl der schöne Zug als auch das Jungfraumassiv gut ins Bild passen!

 

Karte aus den 50er-Jahren, im Internet gefunden

600-002 Verlag J. Gabarell Thalwil (8088)
600-002 Verlag J. Gabarell Thalwil (8088)

Auch die Arth-Rigi Bahn ist und war in Not. Kaum eine gute Stelle, um die Vorzüge der Zugreise und des Blicks auf den Zugersee und den Rossberg zu preisen

 

Es scheinen drei Bilder zusammengefügt zu sein:

  • Panoramabild Zugersee und Wildspitz
  • Vordergrund mit Gleis und Fauna
  • Der Triebwagen selbst (die Achse und/oder der Fluchtpunkt sind für mich nicht übereinstimmend mit dem Gleis)

 

Karte wegen meiner Unkenntnisse über diese Bahn nicht datierbar, im Internet gefunden.