Ospizio Bernina: Die halbleeren Seen im Jahr 1938

Im Sommer 1938 zeigten sich die Berninaseen von einer ungewöhnlichen Seite und die Besucher rieben sich die Augen: Lago Bianco und Lago della Scala waren um viele Meter abgesenkt! Und das zu einer Zeit, wo die Speicherseen normalerweise randvoll mit dem Schmelzwasser der Gletscher sein müssten und sich die Kraftwerkbetreiber die Hände reiben über das viele gestaute Kapital!

 

Der Grund dieser Situation ist mir (noch) nicht wirklich bekannt. Es gibt jedoch ein Indiz: Im Jahr 1940 haben die Kraftwerke Brusio KWB die beiden Staumauern erhöht und teilweise auch verbreitert. Es liegt nahe, dass die nicht einfach drauflos gebaut, sondern sicherlich auch den Untergrund geprüft haben. Vielleicht wurde zu diesem Zweck der Wasserspiegel abgesenkt.

 

Der bekannte Fotograf Albert Steiner hat die Situation am 24. Juni 1938 mit seiner Kamera festgehalten und hinterlässt damit ein interessantes Zeitdokument. Im Gegensatz zur den heutigen Möglichkeiten war die Arbeit Steiners handwerklich: Da wurde noch entwickelt, abgezogen und dann zusammengeklebt.

300-003 Foto: Albert Steiner, Archiv RhB
300-003 Foto: Albert Steiner, Archiv RhB

So bietet sich die Seenlandschaft auf der Bernina dem Betrachter: Viel von der Sonne ausgetrockneter Schlamm soweit das Auge reicht. Man stelle sich das Volumen vor, welches fehlt!

Ausschnitt: Die Ausdehnung des damaligen Bahnhofgelädes von Ospizio Bernina ist aus dieser Perspektive gut ersichtlich. Die Stützmauer links scheint ziemlich neu zu sein.

Auf diesem Ausschnitt ist das Val Bügliet mit der gleichnamigen engen Kurzve gut ersichtlich. Der Bach sucht sich bereits wieder einen Weg durch den ausgetrockneten Seeboden.


Oben die Passstrasse.

Hier südlich der Station finden wir zwei interessante Objekte:

  • Einerseits die Gallerie, welche später versetzt wurde, und
  • anderseits im See den Schieber zwischen dem Lago della Scala in den Lago Bianco.


300-007 Foto: Albert Steiner, Archiv RhB
300-007 Foto: Albert Steiner, Archiv RhB

So zeigte sich das Bild von der östlichen, also der Schienenseite. Da bevorzuge ich das milchige grün des vollen Sees!


Der Mann in schicken Knickebockers wagt einen zaghaften Spaziergang über den ausgetrockneten Schlamm.

300-009 Foto: Albert Steiner, Archiv RhB
300-009 Foto: Albert Steiner, Archiv RhB

Auf diesem Bild ist die Dimension des Wasserablasses zu erkennen!

 

Gut zu sehen der Schieber zwischen dem Lago della Scala (hinten) und dem Lago Bianco. Vor der Staumauererhöhung wurde das Wasser des etwas tiefer liegenden Lago Bianco in den Lago della Scala hochgepumpt, wenn der Wasserstand niedrig war.


Die Wassernutzung erfolgt bis zum heutigen Tag ausschliesslich nach Süden.