Charnadüra- und Argentieri-Tunnel
Der Begriff "Charnadüra" ist die Bezeichnung der Innschlucht und nicht etwa eines Berges. Somit ist die Namensbezeichnung - etwas spitzfindig betrachtet - besonders: Ein Tunnel durch die Schlucht
:-)
Über die Notwendigkeit des Charnadüra-Tunnels ist schon viel geschrieben worden, deshalb in aller Kürze: Die ursprünglich geplante Route der Berninabahn war durch den Stazerwald geplant, was
jedoch von den Gemeinden Pontresina und St. Moritz aufs Vehementeste bekämpft und schliesslich verhindert wurde. Deshalb musste die Berninabahn mit einem 689 Meter langen Tunnel durch den
Charnadüra geführt werden. Hohe Mehrkosten waren die Folge davon und ein Jahr Verzögerung bei der Eröffnung der Gesamtstrecke. Zudem kam noch die Gemeinde Celerina ins Spiel, die vorher von der
BB nicht tangiert war.
Hier ist der detaillierte Verlauf des Schienenwegs gut ersichtlich: Kurz nach dem Inn-Viadukt macht die Bahn eine Linkskurve, an welche unmittelbar die Weiche zum Schlachthof St. Moritz
anschliesst. Die Schienen folgen dem Wasserkanal bis zur Höhe des Kraftwerks und dann geht die Fahrt in den längsten Tunnel der Berninastrecke.
Das Kraftwerk ist übrigens das erste elektrische Kraftwerk der Schweiz! Es wurde bereits 1887 vom Hotelier Johannes Badrutt erbaut und im Jahr 1891 von der Gemeinde St. Moritz übernommen. Die
Leistung betrug stattliche 800 PS. Später lieferte es auch den Strom für die Strassenbahn St. Moritz. Weitere Informationen zur Geschichte des Kraftwerks findest Du hier
Ein Problem war (und ist heute noch) die Eisbildung aufgrund der grossen Temperaturunterschiede im und ausserhalb des Tunnels. Das Eis konnte sich sehr rasch bilden und musste in mühseliger Handarbeit entfernt werden.
Im ehemaligen Archiv der Berninabahn findet sich dieses Foto. Es stammt jedoch nicht aus dem Charnadüra-Tunnel, sondern aus dem Jostbach-Tunnel der damals noch selbständigen Schöllenenbahn. Auf der Rückseite hat der BB-Betriebsdirektor Zimmermann von Hand festgehalten:
"Jostbachtunnel 1918. Vereisung während einer Nacht, bei einer Aussentemperatur von -32 Grad in Andermatt. (Unterschrift) Poschiavo"
Naheliegenderweise wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Vereisung zu vermeiden. So wurde der Charnadüra-Tunnel durch ein sich automatisch nach jeder Durchfahrt schliessenden Tor gegen Zugluft schützt. Diese Lösung existiert heute noch.
Hier die gewählte technische Lösung: Deutlich ist oben der wuchtige Stellmechanismus zu sehen.
In der aus dem Fels gebrochenen Nische links ist der Antrieb und der Übertragungs-Mechanismus dargestellt.
Hier die Sicht von oben. Jetzt ist erkennbar, dass ein Tor nach innen und das andere nach aussen schwenkt.
Der Zutritt zum Maschinenraum war sowohl von der Tunnel- wie von der Aussenseite möglich.
Bei den gleichen Unterlagen findet sich eine Gegenüberstellung der offenbar bei der Schöllenenbahn damals geplanten oder realisierten Lösung mit der Technik, die bei der Berninabahn im Einsatz war.
Der Plan trägt das Datum 28.1.1927
Das Tor vor dem Charnadüra-Tunnel war nur in der kalten Jahreszeit in Betrieb.
Ein Zirkular informierte jeweils die Betroffenen über die Inbetriebnahme des automatischen Tunneltors. Im Jahr 1934 war es am 26. Oktober
Charnadüra- und Argentieri-Tunnel der Rhätischen Bahn
Der Vollständigkeit halber seien auch noch der 449 Meter lange Charnadüra-Tunnel und der 114 Meter lange Argentieri-Tunnel der Rhätischen Bahn erwähnt. Dazwischen befindet sich ein kurzer
Lehnenviadukt. Charakteristisch ist die Einfahrt in den Bahnhof St. Moritz direkt aus dem Argentieri-Tunnel heraus.
Rarität!
Diese Karte habe ich in meiner Sammlerkarriere erst einmal gesehen - eine unterwartete Ansicht auf den Argentieri-Tunnel mit dem Lehnenviadukt und das wachsende St. Moritz.
Interessant ist die Karte auch deshalb, dass es sich um eine (sehr frühe) Fotokarte handelt.
Da die Karte nicht datiert ist, muss eine Vergrösserung herhalten, um die Aufnahme zeitlich einzugrenzen - Die Aufnahme ist schätzungsweise im Zeitraum 1906 bis 1907 entstanden:
- Der Bahnhof St. Moritz wurde 1904 eröffnet, die Böschung auf der Aufnahme ist bereits etwas überwachsen
- Das Grand Hotel ist fertiggestellt scheint schon eröffnet (1905)
- Zwischen den Baumwipfeln ist noch das Restaurant Bacchetti zu sehen. Dieses musste dem Bau der BB weichen und wurde mit grosser Wahrscheinlichkeit im Jahr 1907 (allerspätestens 1908) demontiert.
Hier ein Blick auf die östliche Einfahrt des Argentieri-Tunnels mit dem davor liegenden Lehnenviadukt.
Interessantes Detail: Die Hipp'sche Wendescheibe links des Tunnelportals, vermutlich als Einfahrsignal St. Moritz.
Eine tolle Ansicht mit vielen Details.
Rechts sehen wir den Auslaufkanal des St. Moritzer Sees für das Kraftwerk St. Moritz, der ab 1887 das Wasser für die Stromversorgung des Hotel Kulm nutzte.
Links der Mitte das Westportal des Charnadüra-Tunnels.
Sammlung Jeremy Rayner